Die Angst vor dem Alleinsein

Trennungsangst oder, korrekter ausgedrückt: Trennungsstress ist ein weit verbreitetes Problem für viele Hundehalter und nicht zuletzt auch für ihre Hunde. Warum machen Hunde, wenn sie allein sind, Einrichtungsgegenstände kaputt (vor allem solche, die kurz zuvor im Kontakt mit ihrer Bezugsperson waren wie Bücher, Schuhe usw.), quälen die Nachbarn mit stundenlangen Heul- und Belltiraden oder verlieren plötzlich ihre Stubenreinheit?

 

Zunächst ist es nicht verwunderlich, dass Hunde nicht gern allein sind. Ihr Vorfahre, der Wolf, ist ein ausgesprochenes Rudeltier und Wölfe sind nur selten mal ganz allein. Ist dies doch mal der Fall, tritt gehäuftes Heulen auf, auch bei den Rudelmitgliedern, die in der Gruppe geblieben sind.

 

Doch für unsere Hunde ist noch etwas anderes von zentraler Bedeutung: Ein Hund, der das Alleinesein nicht lernen konnte, fürchtet um seine Versorgungssicherheit. Die Bezugspersonen übernehmen ja auch die Fütterung, bieten sozialen Kontakt, gehen mit dem Hund spazieren - kurzum, alles, was ein Hund braucht, bekommt er von seinem Menschen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Hunde hochgradig vom Alleinsein gestresst sind. Das geht bei manchen Hunden soweit, dass sie ihrem Menschen auf Schritt und Tritt durch die Wohnung folgen.

 
Neurobiologisch gesehen ist das Wort Trennungsangst nicht ganz korrekt. Der Bereich des Gehirns, der bei Angst aktiviert wird, bleibt nämlich beim Alleinsein inaktiv, weshalb eher von "Trennungsstress" gesprochen werden sollte. Allerdings ist der Bereich, der aktiv wird, eng mit dem Schmerzzentrum verbunden - es ist also anzunehmen, dass Hunde nicht nur seelisch, sondern auch körperlich unter der Situation leiden.

 

Alle Verhaltensweisen, die bei Trennungsstress auftreten, sind ein Versuch des Hundes, mit seiner großen Erregung fertig zu werden. Werden Gegenstände kaputt gemacht, sind es häufig solche, die stark nach der Bezugsperson riechen. Das hat nichts mit Protest zu tun! Der Hund sucht nach dem Geruch seines Menschen, und entläd dann die große Aufregung, in der er sich befindet, indem er die Gegenstände mit den Zähnen bearbeitet. Kauen entspannt nämlich.

 

Auch das Bellen und Jaulen ist eine Strategie. Wahrscheinlich noch tief verwurzelt, soll es den Kontakt zu den Rudelmitgliedern wieder aufbauen - was nicht heißt, dass der Hund aktiv darüber nachdenkt, wie er seinen Menschen zwingen kann, wieder nach Hause zu kommen. Er ist einfach gestresst und versucht, damit fertig zu werden. Kommt der Mensch dann in einer Phase des Bellens zurück (was praktisch nicht zu vermeiden ist, wenn der Hund die ganze Zeit bellt), verstärkt sich dieses Verhalten, da es scheinbar "funktioniert".

 

Die Belastung für Besitzer ist groß, gerade wenn die Nachbarn sich beschweren. Daher greifen verzweifelte Besitzer manchmal zu Methoden, die sie eigentlich selbst ablehnen. Ein Beispiel dafür sind Zitronenduft-Halsbänder, die beim Bellen Zitronenwasser versprühen. Leider "funktionieren" diese Halsbänder oft, da dieser Geruch und der damit verbundene Schreck für den Hund sehr schlimm sind. Sie ändern aber nichts an der emotionalen dramatischen Lage des Hundes, im Gegenteil: Es ist ein weiterer unangenehmer Faktor dazu gekommen. Fast immer wird der Hund seinen Stress in einer anderen Verhaltensweise entladen. Auch das Urinieren und Koten in der Wohnung ist keine Protesthandlung, sondern eine reine Stressreaktion.

 

Trennungsstress ist ein komplexes Thema, für das man sich unbedingt professionelle Hilfe suchen sollte.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Sarah (Dienstag, 04 März 2014 09:59)

    Jetzt weiß ich warum Tobi mir immer überall hinterherwatschelt :)

  • #2

    hundetherapie-kaufbeuren (Donnerstag, 06 März 2014 15:00)

    Ja,
    das Hinterherwatscheln in der Wohnung kann aber noch einen anderen Hintergrund haben:
    Manche Hunde möchten einfach gern in die Aktivitäten ihres Menschen einbezogen werden. In der Hoffnung, dass vielleicht etwas Zeit oder was Leckeres für sie "abfällt".
    Der Unterschied ist daran erkennbar, dass diese Hunde mit dem tatsächlichen Alleinsein in der Wohnung keine Probleme haben und auch nicht gestresst sind.

    Gruß S